Leipziger Synagogalchor 2022 © Anne Hornemann | zur StartseiteLeipziger Synagogalchor 2023 © Nikolai Schmidt | zur StartseiteLeipziger Synagogalchor 2023 © Nikolai Schmidt | zur Startseite
 

Werner Sander

Gründer und Leiter von 1962 bis 1972

 

Werner Sander wurde am 5. August 1902 in Breslau geboren; er stammt aus einer jüdischen Familie. Im Synagogenchor erhielt er seine erste musikalische Ausbildung, später studierte er am Konservatorium. Seine Tätigkeit als privater Musiklehrer und Dirigent mehrerer Chöre endete 1933 mit dem Arbeitsverbot durch die Nationalsozialisten. Als Leiter des Chors des Breslauer Jüdischen Kulturbundes und Lehrer an jüdischen Schulen konnte er seine musikalische Arbeit fortsetzen. Nach dem Verbot des jüdischen Schulwesens musste Sander 1943 in Kurzbach und Grünthal, Außenlagern des Konzentrationslagers Groß-Rosen, Zwangsarbeit leisten. Seine Eltern wurden in Theresienstadt und Auschwitz ermordet.

 

Im November 1945 emigrierte Sander wie zahlreiche andere Breslauer Juden nach Thüringen. In Meiningen arbeitete er als Musiklehrer im Schuldienst und als Leiter der Meininger Chorgemeinschaft.

Werner Sander (Archiv Jüdische Gemeinde Dresden)

 

1950 wurde er als Kantor an die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig berufen, wo er den Synagogenchor dirigierte und zur Vermittlung religiöser Traditionen beitrug. Für Gemeindemitglieder, denen Kenntnisse der hebräischen Sprache fehlten, gab er Gebete für Schabbat und Festtage in phonetischer Schrift und deutscher Übersetzung heraus. Ab 1954 wirkte Sander auch in der jüdischen Gemeinde in Dresden. 1962 wurde er zum Oberkantor der jüdischen Gemeinden in der DDR ernannt.

 

Aus einer Kammerbesetzung des 1951 von ihm gegründeten Leipziger Oratorienchores und dem Synagogenchor formierte Sander 1962 den Leipziger Synagogalchor, dem er als Dirigent vorstand. Mit diesem Ensemble konnte er sich der konzertanten Aufführung synagogaler Chorwerke widmen und sie vor dem Vergessen bewahren. Der Westberliner Kantor Leo Roth stand ihm dabei als Vorsänger ebenso zur Seite wie profilierte Leipziger Bühnensängerinnen und Organisten. Das Repertoire stellte Sander aus seiner umfangreichen Sammlung synagogaler Kompositionen vom 17. bis 20. Jahrhundert zusammen, die er zum Teil speziell für seinen Chor bearbeitete. Außerdem schuf Sander Arrangements jiddischer und hebräischer Lieder, und "Schiron", einen Liebesliederzyklus aus dem Hohen Lied nach Volksweisen. Drei Schallplatten dokumentieren seine Arbeit dieser zehn Jahre.

 

Werner Sander starb am 21. Juli 1972. Sein letztes Konzert mit dem Leipziger Synagogalchor dirigierte er sechs Wochen zuvor im Apollosaal der Deutschen Staatsoper Berlin.

 

Literatur:

Tina Frühauf: Werner Sander. „den Frieden endgültig zu festigen“. Ein großer Vertreter der jüdischen Musik in der DDR (Jüdische Miniaturen 213). Berlin 2017.

Tina Frühauf: Transcending Dystopia. Music, Mobility, and the Jewish Community in Germany 1945‒1989. Oxford 2021, S. 193–235.